Natur und KletternVon Andreas Hammer
Kalter Krieg in der Sächsischen Schweiz. So war es vor Wochen im
,,Stern" zu lesen. Ein knallharter Satz, der Reinhold Messner aufhorchen ließ. Der
Südtiroler ist von jeher an der Entwicklung des Kletterns im Elbsandstein interessiert
und trägt sich mit einem Buchprojekt zum Felsklettern. Deshalb kam er während seiner
Dezember-Vortragsreise mit Kennern und Könnern vor Ort ins Gespräch.
,,Wenn sich die weltweit auf dem Vormarsch befindliche Fit-For-Fun
Mentalität durchsetzt, dann ist für viele Jahre Schluß mit der Kletterei",
zeichnete der eigenwillige Abenteurer und Extrembergsteiger gleich zu Beginn der
Diskussion ein düsteres Zukunftsbild. Widerspruch erntete er nicht. Nur zu gut wissen
Leute wie Gisbert Ludewig - der mit über 1 000 Erstbegehungen aktivste Erschließer im
sächsischen Fels, Buchautor und Fotograf Frank Richter, die Sportkletterer Gunter Gäbel
und Alexander Adler,
Kletterführer-Chef Dietmar Heinicke oder Karsten Lohf aus Neustadt,
der zahlreiche Erstbegehungen in obersten Schwierigkeitsgraden auf seinem Konto hat, daß
es auch in Sachsen kurz vor zwölf ist.
Zu gegenwärtig waren die bereits seit Monaten mehr oder minder offen
geführten ,,Kämpfe" zwischen Bergsportlern und Nationalparkverwaltung, zwischen
Traditionalisten und Sportkletterern. ,,Da ist keine der Seiten kompromißbereit",
meinte Adler und: ,,Die Sportkletterer werden stigmatisiert." eine Verletzung der
Regeln oder eine Schädigung der Natur durch deren Aktivitäten könne er nicht erkennen.
Mancher, so Adler, Würde das Gebirge allerdings schon als seinen privaten Vorgarten
ansehen.
Mike Jäger, auf dessen Konto der umstrittene Stern-Artikel ging:
,,Durch die Sportkletterei werden neue Aspekte reingetragen. Und: Die Einhaltung der
sächsischen Kletterregeln ist der beste Naturschutz überhaupt." Reinhold Messner
plädierte dafür, sich das ,,Bergsteigen durch Können und nicht durch Eingriffe in die
Natur zugänglich zu machen". Messner meinte - auch mit Blick auf den Alpinismus -,
daß ein ,,Berg ohne tödliche Gefahr zur Attrappe wird". Jeder Kletterer sei deshalb
Initiator, Akteur und Schiedsrichter zugleich.
Adler sprach von einer Inflation der Werte und davon, daß ,,die
Kletterethik in der Sächsischen Schweiz von außen immer sehr hoch angesiedelt
wird". Frank Richter: "Früher waren Kletterer eine verschworene Gemeinschaft.
Übertretungen der Regeln wurden innerhalb der Truppe geahndet. Heute sollte man dazu
kommen, wenigstens einen geistigen Austausch zu führen." Mit Aktionen wie dem
illegalen Ringe ziehen würde eine kleine Rand-gruppe ,,das Klima in der Sächsischen
Schweiz vergiften", sagte Dietmar Heinicke.
Mit dem Gedanken, das Bergsteigen aus Naturschutzgründen künftig nur
einer leistungsstarken Elite zu ermöglichen, konnte sich keiner so recht anfreunden.
,,Dann dürfte man auch nur die ganz Reichen Auto fahren lassen", warf Gundel
Strohbach aus Krippen ironisch ein. Sehr überrascht hat Messner der Fakt, daß Bernd
Arnold an einigen seiner Routen nachträglich Ringe schlug. ,,Bernds Wege sind für mich
Kunstwerke. Die kann man sich doch nicht selbst zerstören", lautete sein Kommentar.
Neu war für ihn auch, daß selbst der Erstbegeher sich solche Aktivitäten genehmigen
lassen muß. ,,Die Kletterei ist ein Volkssport geworden. Und da muß anerkannt werden,
daß es Veränderungen gibt - zum Beispiel den Ruf nach mehr Sicherheit. Außerdem sind
natürliche Sicherungen im Laufe der Jahrzehnte weggebrochen oder abgenutzt", warf
Gisbert Ludewig in die Debatte.
Nach mehr als zweistündiger Diskussion, die Reinhold Messner sichtlich
Vergnügen bereitete, stellte der Südtiroler erleichtert fest: ,,Kalter Krieg? Nein! Man
muß nur miteinander reden können."