Rotkelchenstiege
wird "Bergpfad"
Nach einem Jahr: Arbeitsgruppe fand Konsens für ein Wegekonzept in der Sächsischen Schweiz
Von BERND LICHTENBERGER
Die Wogen im Streit um die Wanderwege im Nationalpark Sächsische Schweiz haben sich geglättet. Durch eine Absichtserklärung der Nationalparkverwaltung war er vor zwei Jahren ausgelöst worden. Gestern legte die vom Umweltministerium gebildete Arbeitsgruppe "Wegekonzeption" ein gemeinsam erarbeitetes und einstimmig beschlossenes Wegekonzept vor. Die Arbeitsgruppe, die von TU-Prof. Dr. Heinz Röhle moderiert wurde, einigte sich darauf, dass auch künftig außerhalb der Kernzone des Nationalparks alle Wege begangen werden dürfen. Innerhalb der Kernzone, die 23 Prozent der 93 Quadratkilometer großen Nationalpark-Fläche ausmachen, gibt es Einschränkungen. Hier dürfen künftig nur noch Wege und Pfade betreten werden, die dafür gekennzeichnet sind. Die Durchsetzung wird von der Nationalparkwacht an Schwerpunkten kontrolliert. Bei Zuwiderhandlungen muss mit einem Verwarngeld von 75 Mark gerechnet werden. Am markierten Wanderwegenetz, wie es bisher bestand, soll sich nichts ändern. Bisher strittige Bergpfade und Kletterzugänge werden bis zum kommenden Frühjahr gekennzeichnet. Zu ihnen gehört neben Goldsteig und Rotkehlchenauch die Häntzschelstiege am Langen Horn. Allerdings soll für den sehr schmalen Aufstieg ein Richtungsverkehr eingeführt, der anschließende Pfad über das Lange Horn linienhaft gekennzeichnet und die erodierenden Bereiche beiderseits renaturiert werden. Keine Einigkeit konnte über die Nutzung des Grenzweges erzielt werden. Befürchtungen, das Wegekonzept könnte durch forstwirtschaftliche Sperrungen wie jüngst beim Schulzengrund, ausgehebelt werden, begegnete Johannes Grunwald, Leiter des Forstamtes Bad Schandau, mit der Information, die die Sicherheit der Wanderer gefährdenden Altbäume würden in Kürze gefällt und die Sperrung ab September aufgehoben. Die Nationalparkverwaltung plädiert in diesem Fall für eine Wegeverlagerung, die jedoch eine längere Sperrung des Wanderweges zur Folge hätte. Ein Jahr lang hatten in der Arbeitsgruppe Vertreter der sächsischen Wanderund Bergsportverbände, der Naturschutzverbände, des Tourismusverbandes, der umliegenden Kommunen sowie der Forst und der Nationalparkverwaltung um einen Konsens gerungen. "Wir sind froh darüber, dass dabei nicht der kleinste, sondern der größte gemeinsame Nenner gefunden wurde", kommentiert Ministerialdirigent Michael Simpfendörfer, Leiter der Abteilung Naturschutz und Landschaftspflege im Umweltministerium, das Ergebnis. Dafür habe auch die Nationalparkverwaltung ihre Sichtweise ändern müssen, gestand deren Leiter Dr. Jürgen Stein ein. War sie ursprünglich davon ausgegangen, Naturschutz habe im Nationalpark absolute Priorität, musste sie schließlich akzeptieren, dass Erholung, Bildung und Forschung von gleichrangiger Wertigkeit sind. Alljährlich kommen reichlich zwei Millionen Besucher in den 93 Quadratkilometer großen Nationalpark Sächsische Schweiz. Mit seinen markierten Wanderwegen, die eine Gesamtlänge von 400 Kilometern ausmachen, und der Vielzahl von Bergpfaden und Kletterzugängen hat dieser Nationalpark ein für solche Schutzgebiete ungewöhnlich dichtes Wegenetz. Das jetzt vorgelegte Wegekonzept soll daran nur wenig ändern. "Die Einbußen, die für Wanderer und Bergsteiger entstehen, sind gering", bewertet Dr. Ulrich Voigt, l. Vorsitzender des Sächsischen Bergsteigerbundes, den Kompromiss. Deshalb sei er ein Erfolg für alle jene, die die nur wenig begangenen Wege in der Sächsischen Schweiz besonders lieben. Umso stärker müsse man nun dafür werben, dass der Kompromiss von allen Besuchern des Nationalparks getragen wird. "Gegen die Mehrzahl der Wanderer ist er ohnehin nicht durchzusetzen", stimmt ihm der Chef der Nationalparkverwaltung zu.