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  Sächsische Zeitung vom 17.01.2001

Kletterhistorie 
"Hübscher Blick ins Tal" 

Die Hafenrundfahrt über der Ottomühle ist seit nahezu 100 Jahren Bergsteigertradition 

Von Heinz Gliniorz 

In den Tourenplänen der Bergsteiger- und Touristenklubs werden jährlich zwei Ereignisse besonders hervorgehoben: das An- und Abklettern in der sächsischen Felsenheimat. Im Frühjahr, wenn die ersten Sonnenstrahlen die freistehenden Sandsteinfelsen über mehrere Stunden erreichen und der letzte Schnee von den Gipfeln weicht, beginnt im Elbsandsteingebirge die Klettersaison. Und zum Jahresausklang, bevor die grauschimmernden Felsen das erste Weiß tragen, wird abgeklettert und das Fahrtenbuch geschlossen. Fein säuberlich sind darin auch eingetragen die Klettererlebnisse an den Felsen in der Gruppe um den weithin sichtbaren und seit 1907 mit einer Windfahne bestückten Daxenstein. Im "Fehrmann" (1908) ist zu lesen, dass sich ihre Besteigung lohnt, "Pda sie rasch zu erreichen sind und in anregender Kletterei erklommen werden. Hübscher Blick ins Tal." Gemeint waren damit die freistehenden Sandsteintürme mit der Bezeichnung Kleiner und Großer Mühlenwächter, der Zarathustra, der Untere Mühlenwächter - heutiger Ottostein und der um 1880 erstmals bestiegene Daxenstein mit seinen nunmehr 35 Aufstiegsvarianten. In Bergsteigerkreisen nennt man die Besteigung der Daxensteingruppe Hafenrundfahrt. Später reihte sich noch der Daxkopf in diese Gruppe ein. 

Pionierarbeit im "Hafen" 

Im Jahre 1904 wurden zwei weitere freistehende Felsen am damals bereits bekannten Daxenstein bestiegen. Max Kmetzsch vom Kletterklub Mönchsteiner Pirna 1898 schaffte beide Gipfel im Alleingang. Am Daxenstein waren es die Pirnaer Geschäftsleute Richard und Martha Pötzsch, die mit Oliver Perry-Smith 1913 Klettergeschichte schreiben konnten. Der 29-jährige Amerikaner und der zehn Jahre ältere "Mönch" aus Pirna durchstiegen am 18. September die bis dahin unberührte Westseite. Vierzehn Tage darauf führte Perry-Smith Frau Martha Pötzsch und ihren Ehemann Richard an der Südostkante zum Gipfel. 

Sternstunde mit fünf Erstbesteigungen 

Dieser Aufstieg, an dem zum ersten Mal eine Frau den Schwierigkeitsgrad besonders schwer in einer Seilschaft meisterte, ging später mit der Bezeichnung Klavier in die Bergsteigerdokumente ein. Und noch einmal gelang dem Amerikaner mit seinem Bergfreund aus Pirna ein für die damalige Zeit spektakulärer Aufstieg. Damals als Westriss bezeichnet, ist dieser Weg heute als Perryriss in der Talseite am Daxenstein weithin sichtbar. Am Gipfel Zarathustra haben sich die Bergsteiger Walter Stein 1903 und Hans Pohle 1907 mit ihren Bergkameraden einen Namen gemacht. Oliver Perry-Smith und Richard Pötzsch hatten ihre Sternstunde am 6. Oktobertag 1913 mit fünf Erstbesteigungen. Pötzsch führte auf zwei neuen und Perry-Smith noch einmal auf drei bis dahin unbekannten Wegen zum Gipfel des heute mit 15 Aufstiegen belegten Zarathustra. Am Ottostein hatten die Bergsteiger jahrelang kein Interesse an neuen Aufstiegen. Nur drei leichte Kletterwege waren bis 1966 bekannt. Danach haben Bernd Arnold, Joachim Lieback und weitere Bergsteiger neue Aufstiege gefunden, so dass nunmehr über 17 Kletterwege zum Gipfel Ottostein führen. Als letzte Anlegestelle ist der inzwischen über zwölf Wege zu erreichende Gipfel Daxkopf zu nennen. Die kürzeste Verbindung wird hier über einen Sprung hergestellt. 

Quelle: Kletterführer Sächs. Schweiz, Chronik Teil I

 

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