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Sächsische Zeitung
Dienstag, 19. März 2002

Aufruhr im lieblichen Tale
Die neue Verordnung für den Nationalpark ist noch gar nicht öffentlich, aber erregt schon heftig die Gemüter
Von Frank Tausch
   
     

Ganz leise kommt der Frühling ins Kirnitzschtal. Munter plätschert der Bach, eifrig wird an den Gaststätten gewerkelt, die langsam aus dem Winterschlaf erwachen. Die Saison steht vor der Tür. In dem lieblichen Tal im Nationalpark Sächsische Schweiz aber gären Unmut und Zorn. Franz Hasse kommt richtig in Rage. "Man muss doch Irrsinn nennen, was Irrsinn ist", wettert der Besitzer des Campingplatzes. Derbe Worte gebraucht Hasse. Kolonialherren-Mentalität herrsche im Nationalpark und mache den Wirten das Leben schwer. Das wollen die sich nicht länger bieten lassen und haben mobil gemacht. Anlass für den Krach ist die Nationalparkverordnung.

Angst vor zugewucherter Landschaft

Sie soll erneuert werden. Ab April soll das Werk in die Anhörung gehen und alle Betroffenen sollen zu Wort kommen dürfen. Doch das Papier zirkuliert natürlich längst, und die Kirnitzschtalwirte haben sich darauf eingeschossen. Dabei sollte es diesmal ganz demokratisch zugehen. Die Verordnung sollte zur Anhörung nicht einfach präsentiert werden, schon vorher wollte sie das Umweltministerium abstimmen, wollte sie testen. Das Papier wurde also zunächst allen Gemeinden, dem Tourismusverband, den Bergsportverbänden vorgelegt. Jede Menge Anregungen kamen, viele wurden eingearbeitet. Referatsleiter Hans-Jörg Vorberger im Umweltministerium aber ist sich heute nicht mehr sicher, ob das nicht ein Eigentor war. Denn nun muss das Ministerium schon Gefechte führen, obwohl die Verordnung noch gar nicht in der offiziellen Diskussion ist. Offene Briefe, Eingaben an den Landtags-Petitionsausschuss und die halbe Regierung, eine Flut von Briefen an den Umweltminister beschäftigen die Verwaltung. Die Sorge macht sich breit, der Protest aus dem Kirnitzschtal könne ein Flächenbrand werden.

"Schauen Sie sich das an", sagt Hasse und senkt die Stimme. Seine Hand deutet auf eine Wiese, auf der junge Bäume emporgesprossen sind. "Zuwachsen soll das Tal. Renaturieren nennen die das." Für Franz Hasse heißt das: Landschaft verkommen lassen. Erhalten und bewahren solle die Nationalparkverwaltung, nicht verändern. Mit der neuen Verordnung, so fürchtet er, könne die Parkverwaltung die Sächsische Schweiz noch mehr nach ihrem Willen verändern. "Das steht diesen Leuten nicht zu", sagt Hasse, dessen Familie seit 130 Jahren im Tal siedelt. Das Kirnitzschtal sei Kulturlandschaft, der Tourismus hat hier Tradition. Die Wirte fürchten, dass ihnen das Wasser abgegraben wird. 100 Arbeitsplätze biete das Kirnitzschtal. "Das lassen wir uns nicht kaputtmachen."

Auch der Tourismusverband wundert sich

Die Wirte fordern einen Beirat, der die Geschicke des Nationalparks lenkt und in dem sie eine Stimme haben. Einen Beirat soll es zwar künftig geben, doch darin sollen Sachverständige lediglich beraten und nicht entscheiden. Doch das reicht den Wirten nicht. Sie fordern, dass dann eben ihre Flächen aus dem Nationalpark ausgegliedert werden. Das ist selbst dem Tourismus-Verband zu bunt. "Voller Verwunderung" quittiert man dort die Attacken. Der Nationalpark trage wesentlich zum positivem Image bei, versichert Tourismus-Chef Klaus Brähmig.

Doch das bremst die Wirte nicht. Franz Hasse zeigt auf sein Wehr an der Kirnitzsch. Nach der Wende hat er es restauriert, Mauern ausgebessert, wieder in Betrieb genommen. "Erst waren wir toll, weil wir ökologisch Strom erzeugen, jetzt sollen wir Verbrecher sein," schimpft der 57-Jährige. Mit Argwohn hört er Vorstellungen, wie die Kirnitzsch zu renaturieren sei. Die Pläne sind zwar schon uralt. Aber auch wenn die Parkverwaltung das Gegenteil beteuert, glaubt Hasse, dass alle Mauern abgerissen werden. Zankapfel bleiben die Pläne allemal. Das Misstrauen hat schon Tradition. Weil in dem neuen Regelwerk nicht mehr explizit aufgeführt war, dass Rettungsfahrzeuge wie die Feuerwehr im Nationalpark fahren dürfen, argwöhnten einige, die Naturschützer wollten es wohl künftig munter brennen lassen. "Dass Krankenwagen und Feuerwehr fahren dürfen, haben wir für so eine Selbstverständlichkeit gehalten, dass wir es gar nicht mehr extra aufgeschrieben haben", sagt Nationalparkchef Jürgen Stein. Für ihn ist die Debatte ein "Sturm im Wasserglas". Die neue Verordnung fasst die mit heißer Nadel gestrickte Regelung für den Nationalpark von 1990 und jahrzehntealte Vorschriften für das Landschaftsschutzgebiet zusammen. Eine gemeinsame Nationalparkregion - eine Verordnung. Die soll obendrein weniger scharf sein als bisherige, Verbote und Bürokratie abbauen helfen. Wenn der Wirt vom Lichtenhainer Wasserfall etwa einen Getränkeautomaten vor seiner Gaststätte aufstellen wollte, musste er bislang ein Verfahren beim Regierungspräsidium Dresden anstrengen. Das wiederum fragte bei der Nationalparkverwaltung nach. In Zukunft soll die Park-Behörde gleich die Genehmigung erteilen können. "Für jedes Klohäusel im Park ein Anhörungsverfahren mit allen Verbänden - das war schon unzumutbar", sagt Stein. Nur noch strittige Pläne sollen künftig in ein Verfahren.

Freilich sind die neuen Regeln in ihrem Juristenchinesisch schwer zu deuten. Ein Proteststurm ergoss sich aus Hinterhermsdorf, am Ausgang des Kirnitzschtales gelegen, über dem Umweltministerium. 150 Unterschriften auf vorgefertigten Listen trafen ein. "Ganze Familien bis zur Oma haben unterschrieben", sagt Referatsleiter Vorberger gequält. Ultimativ wird etwa der Erhalt des Kahnfahrens auf der Oberen Schleuse gefordert. "Das wir das verbieten, ist eine Mär", sagt Stein. Amselsee und Obere Schleuse sind extra vom Verbot des Kahnfahrens ausgenommen. Aber schon wenn es heißt, Kahnfahren werde geduldet, empört das die Gemüter. Das klingt nach einem Gnadenakt, der jederzeit rückgängig gemacht werden könnte.

Nur schwarz auf weiß zählt noch

So traut auch Campingplatzbesitzer Hasse allen Zusicherungen nicht über den Weg. Die neue Verordnung enthält zwar kein Verbot zum Mähen von Wiesen, viele sind sogar extra geschützt. Aber Hasse ist misstrauisch und sieht vor seinem gepflegten Grundstück bereits die Bäume wachsen. "Seit 15 Jahren pachte ich Ostern und Pfingsten eine Wiese, für die vielen Camper, die dann kommen. Hinterher machen wir alles wieder ordentlich." Er sieht sich schikaniert: "Dieses Jahr soll das nicht mehr gehen, weil der Uhu dort haust - aber den gibt es da schon seit 20 Jahren".

Gerade sind die Streitigkeiten mit Bergsportlern und Wanderern über Wege und Klettergipfel weitgehend beigelegt, da sorgt die neue Verordnung für Zoff. "Die Kernzone des Nationalparks wird nicht ausgeweitet", fordern die Kritiker. "Es bleibt auch bei der jetzigen Kernzone, gerade 17 Hektar kommen noch hinzu. Ein Lückenschluss nur", beteuert dagegen Nationalparkchef Stein. "Dann könnt ihr uns das auch schwarz auf weiß zeigen", monieren wiederum die misstrauischen Kritiker. "Uns glaubt keiner, solange das Papier nicht auf dem Tisch liegt", beklagt Referatsleiter Vorberger. Und vor lauter Erklärungsversuchen bekommt er sein Papier genau da nicht hin.

 

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