...
Am
10. September 1905 fuhren wir mit dem ersten Zug nach Schandau, immer in
der Furcht, daß der Torwächter schon bestiegen worden sei. Als wir den
Vorgipfel des Torwächters erreichten, saß bereits ein junger Bergsteiger
da mit Seil, Hammer, Meisel und Abseilring und starrte zur Torwächterwand.
Perry-Smith fauchte ihn an: „Nun, wenn Sie den Torwächter besteigen
wollen, dann schnell, wir wollen auch versuchen!" Erschrocken nahm
der junge Bergsteiger Seil und Schlagzeug und stieg eilig ab. Nun war der
Weg für Perry-Smith frei. Er stieg an und kam bis unter den Überhang.
Hier schlug er einen Sicherungsring, dann seilte er sich zu uns ab, um
sich zu stärken. Bald begann die Überwindung der Schlußwand. Die Wand,
besonders im oberen Teil, war mit einer dünnen Flechte bedeckt. Da es
nachts geregnet hatte, hob die nasse Flechte fast jede Reibung auf. Es
waren aufregende Minuten, die Perry-Smith zur Überwindung des Überhanges
und der Schlußwand brauchte. Doch bald ertönte sein Bergheil vom Gipfel,
und Schneller und ich stiegen zu unserem Freund. Von dem Gipfel der Tante
ertönte ein herzliches Bergheil, gerufen von den Mitgliedern des 1905
gegründeten Clubs der Gipfelstürmer. Perry-Smith war immer noch
aufgeregt. Anstatt eine Gipfelpfeife zu rauchen, seilte er sich los und
lief immer dicht am Rande des Gipfels umher. Ich bat ihn, sich zu setzen,
sonst könne er noch abstürzen. Er antwortete, daß er nur probieren
wolle, ob er noch schwindelfrei sei. Ich sagte ihm, daß er davon schon
genügend Beweise gegeben hätte. Wir seilten uns bald ab und wanderten in
den Schrammsteinen. Der Torwächter war die erste Neubesteigung in unserem
Felsengebirge, die Perry-Smith geführt hat. Die Erstbesteigung des
Prebischkegels und des Torwächters war das Signal zu einer Fülle von
Neuersteigungen, bei denen die Namen von Rudolf Fehrmann und Oliver
Perry-Smith an erster Stelle zu nennen sind. Es folgte die große Zeit der
Entwicklung des sächsischen Bergsteigens. Ich nenne nur die drei
Marksteine: Barbarine — Weinertweg am Vexierturm — und Talseite vom
Teufelsturm. Für die
Neubesteigungen soll das Wort gelten:
„Die
Tat ist alles, der Ruhm ist nichts!'