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    | der Text dieser Seite ist gekürzt, wer lieber
      alles lesen möchte:  ungekürzter Originaltext
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    | Rudolf Fehrman in [22 ]
      1914/15 über: | 
   
  
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       Die Erstbesteigung der Barbarine  | 
   
  
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    ... 
      »Himmel, das muß gehen, das muß
      gehen — nein, es geht totsicher!« Mit diesen Rufen stiegen wir den
      Kamin zur Pfaffenstein-Aussicht hinauf, um das Bild auch von dort zu
      betrachten. Da war ja nun der Anblick schon etwas weniger gemütlich, aber
      doch alles andere als hoffnungslos. Wieder in der Scharte angekommen, rüsteten
      wir uns sogleich zum Sturmangriff. Leider hatte ich mich nicht mit
      passenden Kletterschuhen versehen; ich hatte nur ein Paar viel zu große
      Halbschuhe mit, die sich beständig an den Zehen und an der Ferse umstülpten.
      Mit Hilfe einer ausgiebigen Länge Bindfaden gelang es mir endlich, ihnen
      einen notdürftigen Halt zu geben. Nun stieg ich in den Felsen ein, während
      Perry- Smith mir gespannt nachschaute. Von dem kleinen Vorblock aus, den
      wir rasch und mühelos erklommen hatten, führte uns ein einfacher, kurzer
      Quergang zu einem linker Hand gelegenen engen Risse, in dem eine Felsrippe
      klemmt. Der Riß selbst wies zwar keine besonderen Schwierigkeiten auf,
      wollte aber immerhin richtig genommen werden, wenn man sich nicht unnötig
      anstrengen sollte; er endet bei einem Absatz, der einen willkommenen
      Ruhepunkt und eine leidlich gute Sicherungsmöglichkeit bietet. Mein
      Freund kam zunächst bis hierher nach und brachte ein zweites Seil sowie
      verschiedene Werkzeuge zum Einsetzen eines Sicherungsringes mit. — Über
      den weiteren Weg kann man ja nicht im Unklaren sein: Es gilt zunächst,
      mit Hilfe eins schwach ausgeprägten Spaltes hinter einer Felsrippe einen
      engen Riß zu erreichen, der zum »Gürtel« der Barbarine führt. Darüber
      türmen sich zwei mächtige Blöcke übereinander, deren jeder mit einem
      Überhang nach unten abbricht. Namentlich vor dem oberen Überhang hatten
      wir einigen Respekt. Aber bis dahin hatte es ja noch gute Weile. Wir
      wandten uns zunächst dem Stück unmittelbar vor uns zu und entdeckten da
      in etwas über Kopfhöhe einen recht hübsch großen Eisenhaken, der uns
      zu einem erheblichen Schütteln des Kopfes veranlaßte und für dessen
      Sinn und Zweck uns bis heute noch nicht das Verständnis aufgegangen
      ist. Aber das eine sahen wir jedenfalls: Wir waren nicht mehr die ersten
      an diesem Felsen, und es wurde für uns höchste Zeit, hier kräftig
      zuzupacken. 
      Nach kurzer Rast schob ich mich an der Felsrippe empor, wobei wir es als
      Ehrenpflicht ansahen, die Berührung des Eisenstiftes zu vermeiden. Nach
      einigem Probieren fand ich die sicherste Art, den Einstieg in den zum Gürtel
      führenden Riß zu nehmen, und zwar zwängte ich zunächst die linke Körperhälfte
      in den Spalt. Ein kleines Stück noch konnte ich die Fortsetzung der
      Felsrippe als Stützpunkt für den rechten Fuß benutzen, was das
      Fortkommen wesentlich erleichterte, dann war ich ausschließlich auf den
      Riß angewiesen. Aber schon nach einer weiteren Strecke von kaum viel mehr
      als einem Meter bot sich im Innern des Spaltes ein vorzüglicher Giff, der
      es ermöglichte, den Oberkörper ganz aus dem Riß herauszubeugen, eine
      Wendung zu machen und nunmehr den rechten Arm zu verklemmen. Mir schien
      das deshalb besonders vorteilhaft, weil die rechte Wand des Spaltes ein
      wenig weiter vorsprang, in meiner neuen Lage also einen guten Rückenhalt
      abgeben konnte, und weil außerdem die linke Kante des Risses einige zwar
      schlechte, aber doch höchst erwünschte Griffe bot. Ich halte diese Art,
      den Riß zu durchklettern, noch heute für die beste. — Das nächste Stück
      kostete mich ziemlich viel Anstrengung, da die elenden Kletterschuhe gar
      keinen Halt hatten, weshalb ich mich ziemlich tief im Risse halten und
      ganz auf die Kraft der Arme verlassen mußte. Wenn ich mich vorbeugte,
      konnte ich den Kopf meines treuen Begleiters sehen, der sich die Zeit mit
      Rauchen und Pfeifen vertrieb, alle meine Bewegungen verfolgte, mit größter
      Sorgfalt das sichernde Seil nachgab und immer wieder erwartungsvoll
      fragte, wie es ginge, worauf ich ihm dann stets antworten konnte: »Es
      geht sehr gut, ich fühle mich sauwohl!« Wenn ich weiter hinausblickte,
      sah ich draußen auf dem Felde einen Ackersmann; immer, wenn er mit seiner
      Pflugschar umwendete, blieb er stehen, hielt schirmend die Hand über die
      Augen und guckte, wie weit wir wohl inzwischen gekommen wären. —
      Langsam, langsam, die Kräfte möglichst schonend, schob ich mich im Riß
      empor. 
      
      
      
      ... 
      Nachdem ich mich genugsam ausgeruht und mir den Weiterweg angesehen hatte,
      band Perry-Smith das Säckchen mit dem Werkzeug wie Hammer, Meißel,
      Sicherungsring sowie einer Flasche Wasser an das Seil, und ich zog alles
      zu mir herauf. Ich hatte mich nämlich entschlossen, an dieser Stelle
      einen Sicherungsring einzusetzen, da mir der obere Überhang doch recht
      heikel und das Gestein überdies brüchig erschien. 
      
      
      
      
      ... 
      Bald erklangen lebhafte Hammerschläge, und der Meißel sang und klirrte.
      Aber die Arbeit wollte allem Eifer zum Trotz nicht recht vom Flecke. Der
      Hammer war geradezu winzig, der Meißel war zu lang und zu dünn und
      federte so, daß alle Wucht des Schlages verloren ging, überdies wußte
      ich damals noch nicht, daß sich der Sandstein leichter bearbeiten läßt,
      wenn man Wasser darauf gießt. So kam es, daß eine reichliche Stunde
      verrann, bis endlich der Ringhaken im Stein saß und das Seil durchgezogen
      werden konnte. Von dem langen Hämmern und von dem Festhalten des dünnen
      Meißels waren meine Finger ziemlich müde geworden und wurden, wenn ich
      einen Gegenstand fest anpackte, vom Krampfe befallen. Ich rief daher
      meinem Begleiter zu, daß ich es für geraten hielte, den Kampf heute
      abzubrechen und am anderen Morgen wiederzukommen. Perry-Smith war's
      zufrieden, riet aber, wenigstens bis zum oberen Kopf zu gehen und die
      Schlußwand zu untersuchen. Gesagt, getan! Freund Ollie kam bis zum Gürtel
      nach und sicherte mich von da, während ich höher kletterte. Der Fußpunkt
      des oberen Kopfes war bald ohne besondere Schwierigkeiten erreicht, nach
      einigen Körperverdrehungen gelang es mir auch, mich dort unter dem
      Ueberhang herauszuwinden und mich aufzurichten. »Nun, was denken Sie?«
      rief Perry-Smith herauf. »Nun, ich denke«, klang es nach unten zurück,
      »daß ich in einer Minute auf dem Gipfel stehen kann. Aber da meine
      Finger recht müde sind, habe ich nicht den Grad von Sicherheit, ohne den
      ich nicht gern steige.« »So? Nun dann gehen wir morgen wieder an die
      Barbarine und kehren jetzt um!« rief Perry-Smith wieder herauf. Mir war
      diese Entscheidung lieb; dem Gipfel schon so nahe, daß kaum zwei Meter
      fehlten, um die Hand darauf legen zu können, kehrte ich doch um und stieg
      zunächst bis zum Ring zurück. Dort banden wir das Seil fest, hangelten
      daran herunter und standen nach wenigen Minuten wieder auf sicherem Boden. 
      
      
      
      
      ... 
      Ohne
      Zeit zu verlieren, machten wir das Seil klar, Perry-Smith sicherte mich,
      und nun stieg ich denn los.Mühelos
      ward wieder der obere Kopf erreicht. Ich suchte ihn nach rechts und links
      ab, um den Überhang an der günstigsten Stelle anzupacken, blieb aber
      schließlich dabei, in der bisherigen Anstiegslinie weiterzuklettern. Während
      unten Freund Ollie, jede Bewegung verfolgend, das Seil bediente, faßte
      ich sorgsam zwei Buckelgriffe, setzte den linken Fuß so hoch als möglich
      an, dann zog ich mich langsam und vorsichtig über den Überhang hinauf
      — da brach plötzlich der einzige Tritt, auf dem mein Fuß stand, weg.
      Schnell duckte ich mich an den Fels, riß den rechten Fuß hoch, fand Halt
      und hatte so den Überhang überwunden, wenn auch anders als gewollt.
      Wenige Augenblicke später stand ich auf dem Gipfel und schrie vor
      jubelnder Freude in die Luft hinaus; da merkte mein Freund, daß nun
      alles, alles gewonnen sei und stimmte fröhlich ein. In kürzester Frist
      stand er neben mir und reichte mir die Hand. 
      
      
      
      ... 
      Wir
      setzten einen Abseilring ein, dann schrieben wir unsere Namen auf einen
      Wisch Papier und steckten diesen in eine Flasche. Perry-Smith errichtete
      aus einem Bambusrohr, das wir gefunden hatten, eine kleine Fahnenstange
      und stülpte die Flasche oben auf. Das Ganze nahm sich aus, als ob sich Fräulein
      — pardon Frau Barbarine zur Feier des Tages einen Haarpfeil eingesteckt
      hätte. Noch lange saßen wir auf dem kleinen Gipfel und sahen in das
      weite Land hinaus. 
      
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