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Der Fahrtgesell (2. Jahrgang Heft 3 - 1. Februar 1926) |
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Als
die Naumannhangel noch FDK Weg hieß |
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Am Hohen Torstein
Zweite Begehung des
Weges der Freien Dresdener Kletterriege
Von Walter Barth
Der Weg der Freien Dresdener Kletterriege am Hohen Torstein! Wer ihn
kennt, weiß, was seiner erwartet. Und wahrlich: ein Jahr lang hat er
getrotzt, der Wichtlein gelacht, die seine zweite Besteigung versuchten,
bis doch endlich einer kam, dem es gelangt. Zähe und hart war das Ringen
damals, und Grauen erfüllt mich, wenn nicht der Augenblicke gedenke, da
mein Leben an einem Faden hing. Doch köstlicher darob die Erinnerung, die
die herrlichen Stunden auferstehen läßt und nicht zurückführt zu einem
unvergeßliche bleibenden Tag.
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Sonnabend. Eine Woche harter Arbeit liegt hinter mir. Fröhlichen
Herzens eile ich dem Bahnhof zu, wo Freunde meiner harren, mit mir hinaus
ziehen in unserer prachtvolle Bergwelt. Krippen ist unser Ziel. Schweigend
verlassen wir den Zug, setzen über die träge fließende Elbe, stapfen in
traumhaft dämmernder Stunde durch einsamen, stillen Wald dem Falkenstein
zu. Unter einem mächtigen Überhang wollen wir die Freinacht halten. Bald
prasselt ein lustiges Feuer, wohlige Wärme verbreitend. Dicht scharen wir
uns darum, holen Wurst und Brot aus dem Rucksack, Scherzen und plaudern
von fernen, vergangenen Tagen. Drüben aber steht der Hohe Torstein, ragt
stumm und riesenhaft in das urewige Dunkel. Schauernd steht der Mensch und
schaut. Und hoch über seinem Gipfel flimmert blaß ein einsamer Stern.
Ein einsamer Stern über einsamen Gipfel. Schweigen rings um, eisiges
Schweigen.
Still trete ich wieder in den Kreis der Freunde, lege
mich nieder
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zu wohltuenden Ruhe. Tief und traumlos ist der Schlaf.
Ich erwache. Morgendämmerung. Am Himmel ziehen träge, schwarze Wolken -
Wetterwolken. - schnell werden die Freunde geweckt, dann ein kurzes, kräftiges
Frühstück eingenommen. Der Hohe Torstein wartet unserer. Zweimal waren
meine Gefährten schon dort gewesen, zweimal zurückgeschlagen worden; und
heute soll der entscheidende Tag sei, heute oder nie! - endlich sind alle
fertig. Gemächlichen Schritts geht's hinüber. Wird es uns gelingen? Wird
es uns gelingen? Das ist die brennende Frage, die alle beherrscht, - Der
Freie Dresdner Kletterriegen Weg. Da stehen nun wir neuen, starren,
starren, starren und keiner ist, der es versuchen will. Steil, unheimlich
steil strebt der Hangelriß in die Höhe. Wahnsinnig der, der da
aufsteigt. Und der andere Riß oben, - möge der Teufel sein Genick daran
brechen. Schaudernd wende ich mich, daß war ja noch kühner als ich
gedacht! Doch ruft eine innere Stimme: Versuchs! Versuchs! Es gelingt! -
ratlos liege ich. Was tun? - Plötzlich wird's lebendig. Freund Walter
will als erster den anderen mutig voran gehen. Auf mich fällt die Wahl,
die Schwebesicherung für das unterste schwierig Stück vorzubereiten. Ich
erklettere deshalb eine Birke. Jeden Augenblick drohe ich mit den Füßen
von den schlüpfrigen Ästen abzurutschen. Und als sich ganz oben im
Wipfel sitze, neigt sie sich bedenklich nach der Seite. Schnell die
Schlinge um eine Astgabel gelegt, das Seil durch die Karabiner gezogen und
wieder hinab. Froh bin ich dann, festen Boden unter mir zu haben. Aber
auch hier hasten und treiben. Die Fotografen sind bei der Arbeit.
Belichtungstafeln gehen von einer Hand in die andere, Zahlen schwirren
durch die Luft, Felsblöcke werden bestiegen und Bäume erklettert, um
einen günstigen Aufnahmestandort zu finden. Es ist wie in einem
Ameisenhaufen.
Ebenen hat Hans den letzten Knoten zugezogen: Walter ist fertig. Achtung!
Unser Hirn arbeitet in den nächsten Minuten fieberhaft, harrt der Dinge,
die da kommen werden. Schon bei den ersten paar Metern weiß ich es: die
Sache geht schief! Und wirklich, in 8 m Höhe stimmt etwas nicht mehr. Der
Tritt, der Tritt, wo ist bloß der Tritt? " Ich muß mal zurück!
" Klingt es von oben. Knipsen! Drei Apparate sind in Tätigkeit
gleich darauf, was sich vom ersten Augenblick an erwartet hatte: in kurzen
Bogen kommt er durch die Luft, um zum Schluß dank unserer Sicherungsmaßnahmen
langsam auf Gottes Erdboden runtergelassen zu werden. - voll Bewunderung
hatte ich alles beobachtet. Die Schwebe war vorzüglich, Donnerwetter! Da
konnte schwerlich ein Unglück vorkommen. Und wie man das Hangelstück
nehmen muß, das hatte ich auch gelernt, - wenn nur die Kräfte reichen.
Das Folgende sollte ohnehin ein anderer machen.
Ein Freund reist mich aus meinen Träumen. “Na Walther wie wär’s?“
Frisch gewagt! – Wortlos deute ich auf die Oberarme. „Ach was Kräfte“.
Technik ist die Hauptsache! Was nützen Kräfte, wenn die Technik fehlt!
Pass auf bei dir klappt’s!“ – zögernd schaue ich noch einmal hinan,
dann greift die Hand unwillkürlich nach dem Seil. Schnell ist es um die
Brust geschlungen. Mag es kommen wie es will! – Fertig! Ruhe!
Grabesstille um mich herum, nur feiner Sprühregen, der eintönig auf die
Plätter tropft. Prüfend greift die Hand in die Hangelleiste, dann die
andere. Es geht ganz gut. Meter für Meter steige ich so aufwärts. Nun
immer die Tritte gut ausnützen, die Armkräfte schonen, sonst ist es
beizeiten aus. Dreiviertel dieses Wegstückes habe ich hinter mir, da wird
es ungemütlich: die Wand glatt, die Hangelgriffe rund. Doch weiter,
weiter, bis es nicht mehr geht! – Ausstieg. Verdammt, beinahe gerutscht.
Ich hatte Glück. Es ging noch gut ab. Nun vorsichtig zum Ring und eingehängt,
das Abzugsseil ebenfalls, es soll nun als Hangelseil dem zweiten dienen.
Dann betrachte ich den Riß, der nun kommt; er sieht gar nicht so
schwer aus. Am liebste würde ich gleich weiter steigen. Aber die Kräfte,
und: wir haben ja geteilte Führung verabredet. Also heißts Abseilen.
-
Forstetzung folgt -
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