Vom unberührten
Sandsteinfelsen zu einem Lieblingsgipfel der Felskletterer im Bielatal
Mit der weiteren Entwicklung des Bergsportes in der
Sächsischen Schweiz führte der Weg zu neuen Aufstiegen auch in das bis dahin
von Bergsteigern überwiegend unbeachtet gelassene Bielatal. Zu den Pionieren
dieser Erkundungstouren zählten auch die Sektionsmitglieder vom
Österreichischen Touristenklub aus Dresden. Für diese Mitglieder hatte der
Verlag der Sektion in Dresden bereits im Jahrbuch 1905 erste
Erschließungshinweise für das sächsische Felsengebirge herausgegeben. Dieser
erste brauchbare Kletterführer mit dem Titel „Die Kletterberge der
Sächsischen Schweiz“ von Hugo Kunze beinhaltete u.a. die Beschreibung der
Zugänge und die möglichen Aufstiege für 15 bis dahin erschlossenen
Sandsteinfelsen im Tal der Biela. Im Jahr der Herausgabe dieses Führers
gelang den im Bielatalgebiet bereits bekannt gewordenen Sektionsmitgliedern
Walter Stein, Heinrich Forker und Karl Stumpf eine weitere bemerkenswerte
Erstbesteigung eines unberührten Sandsteinfelsens im Schwierigkeitsbereich
IV- nach der heutigen UIAA-Bewertung. Bekanntlich gaben die drei Mitglieder
vom ÖTK ihrem neuen Gipfel den Namen SPANNAGELTURM. Das war eine
Ehrenbezeugung gegenüber dem im Jahre 1866 in Wien geborenen und im Jahre
1904 durch einen Bergunfall um sein Leben gekommenen Präsidenten des ÖTK Dr.
Rudolf Spannagel.
Sektionsmitglied und Vorsteiger Walter Stein hat im
sächsischen Teil des Elbsandsteingebirges weitere 9 Gipfel erschlossen und 5
Kletterwege erstbegangen. Der Gipfelsieg am SPANNAGELTURM sprach sich unter
den jungen und an der aufstrebenden Wandkletterei interessierten
Bergsteigern schnell herum. So war es nicht verwunderlich, dass bereits ein
Jahr später der seit dem Jahre 1902 im Elbsandstein aktive Oliver
Perry-Smith mit einem der besten Felskletterer am SPANNAGELTURM einen neuen
Aufstieg suchte. Dem damals 27-Jährigen, in Philadelphia (USA) geborenen und
weit über die Grenzen Deutschlands durch seine sportlichen Leistungen
bekannt gewordenen „Oli“ sowie dem um zwei Jahre jüngeren Arthur Hoyer,
genannt „Fürst der Berge“, gelang es am 24. Juni 1906, über die steile
Nordkante (V+ UIAA) den Gipfel zu erreichen. Diese nicht hoch genug
einzustufende Kletterleistung von Oliver Perry-Smith reiht sich würdig in
die Serie seiner weiteren 50 Erstbegehungen als Vorsteiger ein. Erst sechs
Jahre später wurde in der Südostwand ein neuer Aufstieg gefunden. Otto
Lungenheim, ein Spezialist der Wandkletterei, gelang mit seinem Nachsteiger
Rudolf Noack ein weiterer Weg zum Gipfel im Schwierigkeitsbereich V+ der
UIAA-Einstufung. Im Jahre 1920 fand Emanuel Strubich, der erst fünf Jahre in
Sachsen kletterte, in der sehr schweren Westwand einen neuen Aufstieg. Zwei
Jahre nach dieser Leistung kam er bei einem Alleingang in den Kühtaier
Bergen beim Absturz an der Hinteren Karlsspitze um sein Leben. Ein junger
23-jähriger Bergsteiger vom Klub „Freie Falken“, Otto Bruchholz, führte
seine zwei Nachsteiger Riedel und Liebscher ebenfalls im Jahre 1920 über die
ungesicherte Ostkante zum Gipfel. Unter der Bezeichnung „Bruchholzkante“ (VI
UIAA) ist dieser bemerkenswerte Aufstieg heute im Kletterführer für das
Gebiet Bielatal zu finden. Über 30 Jahre war etwas Ruhe an diesem
unmittelbar am Eisloch und an der Schwedenhöhle stehenden Sandsteinturm
eingetreten, ehe sich wieder mutige Kletterer mit zwei neuen Aufstiegen in
das Gipfelbuch vom SPANNAGELTURM eintragen konnten.
Und 75 Jahre nach der Erstersteigung durch die Seilschaft
um Walter Stein von der ÖTK Sektion Dresden wurden in der Nordostwand von
den sächsischen Spitzenkletterern Bernd Arnold, Lamm, Cruse, Ludewig und
Schlesinger neue Maßstäbe gesetzt. Erstmalig wurde die Tür zum
Schwierigkeitsbereich VII- UIAA aufgestoßen. Danach ging es Schlag auf
Schlag. Als erste Frau führte Ute Friedrich eine Seilschaft in der
Südostwand über einen neuen Weg zum Gipfel. Sie gab diesem interessanten
Aufstieg die Bezeichnung „Sternchen“ (VI+ UIAA). Der mit über 1000
Erstbegehungen und durch seine klare Linienführung bekannt gewordene Manfred
Vogel aus Pirna an der Elbe konnte sich auch am SPANNAGELTURM mit drei neuen
Wegen auszeichnen. Die Durchsteigung von Direkte Westkante und Südwestkante
in den Jahren 1986 und 1988 sind als sehr schwer einzustufen. Vier Jahre
später zog es Manfred Vogel mit seinen Bergfreunden zur bis dahin
unberührten Talkante. Vom Fuße dieser Kante erreichte seine Seilschaft auf
einen an diesem Felsen an Länge nicht mehr zu übertreffenden Kletterweg den
Gipfel. Die „Talkante“ (VI UIAA) ist mit 2 Ringen abgesichert.
Seit der Erstersteigung dieses Turmes zu Ehren des
Präsidenten der ÖTK im Jahre 1905 durch drei Sektionsmitglieder stehen dem
Freund der Sandsteinkletterei am SPANNAGELTURM unter Beachtung der weltweit
anerkannten Sächsischen Regeln 17 Aufstiegsmöglichkeiten zur Auswahl. Die
Palette der Schwierigkeiten beläuft sich dabei von IV bis VII- nach der
UIAA-Einstufung.