Der Klettersport und das Kletterverbot.
In den Sport- und Tageszeitungen liest man seit einiger Zeit fortgesetzt Artikel
für und wider die Kletterei in der Sächsischen Schweiz und über das
,,Kletterverbot". Zwischen der Forstbehörde und den Kletterern ist ob dieses Sportes
scheinbar eine regelrechte Fehde entbrannt.
Wenn man als unparteiischer Beobachter die Sache ansieht, so muß man beiden Teilen
bedingt recht und beiden Teilen auch unrecht geben. Die Königl. Forstverwaltung ist
unbestritten im Rechte, wenn sie dafür eintritt, daß die Forstkulturen und der Wald
geschont werden, und, wenn dies nicht unaufgefordert geschieht, Maßnahmen zu treffen, die
ihr gutes Recht wahren.
Auch die weiteren Einwände, die von Gegnern der Kletterei gemacht werden, sind,
zum Teil wenigstens, nicht unbegründet. Ich meine aber andererseits, bei etwas
Entgegenkommen beider Teile ist der Schaden, der durch die Kletterer angerichtet wird, zu
heilen. Die Kletterer verlassen die Touristenwege doch nur um deswillen, um nach den
Felsen, die sie erklimmen wollen, zu gelangen. Ein großer Teil der Sonntagsbummler
hingegen verläßt die Wege aus ganz anderen Motiven: um sich im Walde zu lagern, zu
frühstücken, Blumen und Pflanzen zu suchen usw. Hierbei wird natürlich, wenn auch meist
unbewußt, weit mehr Schaden angerichtet. Die Leute von uns, die Sinn und Liebe für die
Natur haben, werden es kaum übers Herz bringen, Pflanzen herauszureißen und dann
wegzuwerfen oder junge Kulturen zweck- und achtlos niederzutreten. Dazu haben sie unsern
Wald viel zu lieb.
Jeder Sport hat, insbesondere wenn er noch in den Kinderschuhen geht, - Feinde -
ausgesprochene Feinde!
Ich frage warum? - Wen stört denn das Klettern in der Sächsischen Schweiz? -
Meistens liegen die Kletterobjekte in entlegenen Teilen unseres Gebirges und wenn wirklich
zufällig Vorübergehende daran Anstoß finden, daß junge Leute an Felsen emporklimmen,
so wollen sie bedenken, daß erstens die Sache oft gar nicht so gefährlich ist, wie sie
aussieht, wenn man die Klettertechnik richtig handhabt, und daß es zweitens doch den
Unbeteiligten schließlich gar nichts angeht. Man gönne den jungen Leuten ihre Freude!
Das Klettern erfordert Kraft, Mut, Entschlossenheit, scharfen Blick, Ausdauer, Energie,
Enthaltsamkeit, Gewandtheit und große Liebe zur Natur. Sicherlich alles gute
Eigenschaften.
Wenn manchmal junge Kulturen niedergetreten worden sind, so liegt dies außerdem
zumeist daran, daß die Forstverwaltung ohne Rücksicht auf die von den Kletterern ach
ihren Kletterobjekten getretenen schmalen Pfade junge Bäume angepflanzt hat. Selbst bei
größter Vorsicht ist es dann nicht möglich, jedesmal schonend den Puls über diese
Pflänzchen zu heben, namentlich, da diese Wege meist sehr sandig sind und dem Fuße sehr
nachgeben. Der Forstmann kann doch ruhig diesen schmalen, kurzen Pfad in der Kultur
aussparen!
Allerdings haben sich u. a. dem Klettersport auch Leute angeschlossen, die weder
mit der nötigen Ausrüstung versehen sind, noch die nötige Technik beherrschen, den
Klettersport in sportlich sachgemäßer Weise auszuüben. Gegen diese Auswüchse kann
natürlich nicht scharf genug Stellung genommen werden und wäre es Pflicht, nicht allein
der Forstverwaltung, sondern auch der anständigen Kletterer, daß sie solchen Leuten das
Handwerk gründlich legten.
Ich glaube deshalb, daß eine Verständigung bei beiderseitigem Entgegenkommen
recht wohl möglich ist. Wir leben einmal jetzt im Zeitalter der Verträge. Ich schlage
daher folgendes vor:
I.
1. Die Königl. Forstverwaltung ist verpflichtet, bereits
bestehende Pfade, die ausschließlich von Kletterern um deswillen benutzt werden, um zu
ihren Kletterobjekten zu gelangen, ordnungsgemäß instand zu setzen, zu unterhalten und
sie nicht mit Kulturen zu bepflanzen.
2. Irgend welche Haftpflicht ,übernimmt die Königl.Forstverwaltung als
Eigentümer von Grund und Boden ausdrücklich nicht.
3. Die Klettererwege sind als solche zu bezeichnen, damit dieselben
nicht von Touristen und Spaziergängern benutzt werden. Ich schlage vor, rot-weiß oder
blauweiß emaillierte Schilder anzufertigen mit der Aufschrift: Kletterpfad. Ich rate um
deswillen eine rote oder blaue Farbe zu wählen, damit die Kletterwege als solche
besonders kenntlich sind und von den weiß-schwarzen Tafeln des Gebirgsvereins usw.
abstechen.
4. Die Beamten der Forstverwaltung, auch die zum Forstschutz kommandierten Soldaten
des Jägerbataillons im Gebiete des Zeughauses, Großen Winterberges usw. sind nicht
allein berechtigt, sondern verpflichtet, Leute, die sie auf diesen Wegen treffen, nach
ihrem Ausweis zu fragen. Kletterer, die nicht im Besitze eines Kletterausweises sind,
werden hoch bestraft, etwa mit 10 M oder zwei Tagen Haft. Es liegt im beiderseitigen
Interesse, daß in diesem Punkte scharf vorgegangen, wird.
Hingegen gilt für Kletterer:
II.
1. Jeder Kletterer ist verpflichtet, sich einen Ausweis zu
lösen, ähnlich einer Radfahrkarte. Und zwar kostet jede Karte für einen Kletterer, der
keiner Vereinigung angehört, im ersten Jahre 5 M , im zweiten und folgenden Jahre nur 2
M. Vereinigungen wie: Gebirgsverein, Alpenverein, Deutsch - Oesterreichischer
Touristenklub, Turnvereine usw., die eine größere Anzahl Mitglieder haben, welche sich
dem Klettersport widmen, sind berechtigt, bei der Forstverwaltung Karten zu ermäßigtem
Preise für ihre Mitglieder zu erwerben. Der Beitrag beträgt dann pro Jahr und Mitglied
nur eine Mark. Außerdem können Tageskarten zu je 50 % ausgestellt werden.
2. Die vorgenannten Vereine sind verpflichtet, eine kleine Anweisung über den
Klettersport herauszugeben, die bei Lösung jeder ersten Karte gegen 25 % mit gekauft
werden muß; bei den späteren Karten ist das nicht notwendig. Diese Anweisung soll
enthalten:
a) Verhaltungsmalsregeln vor dem Klettern, während des Kletterns und nach dem Klettern
und Anstandsregeln.
b) Anleitung über die Technik des Kletterns, und zwar: Für Kamin- und Wandkletterei,
über Hilfeleistung, über Art des Abseilens, das Knüpfen von Knoten usw;
c) Verzeichnis der Orte mit Aerzten und Apotheken in der Sächsischen Schweiz.
3. Die größeren Vereinigungen, die einen Vorzugspreis für Kletterausweise ihrer
Mitglieder erhalten, sind verpflichtet, je nach Verhältnis, einen jährlichen Beitrag
für Unterhaltung und Wegebau der Kletterpfade, der Wegweiser usw. zu zahlen.
4.Die Kletterer sind verpflichtet, in ihren Reihen auf Disziplin zu sehen, alle
Auswüchse ernstlich zu rügen, Uebertretungen gegen diese Bestimmungen rücksichtslos zur
Anzeige zu bringen und namentlich darauf zu sehen, daß Kletterausweise nicht übertragen
und genau so respektiert werden wie beispielsweise eine Jagdkarte. Diese Ausweise müssen
daher auf den Namen ausgestellt sein und die eigenhändige Unterschrift des Inhabers
tragen.
Das Geld, welches durch Lösung der Kletterkarten einkommt, ebenso wie die
jährlichen Beiträge der Alpen-und Gebirgsvereine usw. dürften übrigens reichlich
genügen, etwaige kleine Flurschäden zu vergüten und die Kletterpfade anzulegen und zu
unterhalten.
Da die Sächsische Schweiz aber auch viel von Auswärtigen zur Ausübung des
Klettersports benutzt wird, wie z. B. von Leipzigern und Berlinern, so soll für diese
dasselbe gelten wie für Hiesige. Es sollen irgend welche Ausnahmen nicht gemacht werden.
Auch Damen müssen eine Kletterkarte lösen.
Es ist zu bedenken, daß durch ein rigoroses Kletterverbot das Klettern als solches
wohl nicht abgeschafft werden würde, es würde nur erreicht werden, daß sich der
Klettersport auf böhmisches Gebiet hinüberziehen würde.
Ich gehe aber noch weiter! Es liegt auch den Ortsbehörden der Sächsischen Schweiz
ob, den Klettersport zu unterstützen. Hier schlage ich folgendes vor:
III.
Die Ortsbehörden der als Ausgangspunkte für Kletterpartien
hauptsächlich in Frage kommenden Orte und Bahnstationen der Sächsischen Schweiz, als:
Pirna, Wehlen, Rathen, Königstein, Schandan, Hirschmühle usw., sind verpflichtet, auf
den Bahnsteigen und den Ueberfahrtsstellen der Elbfähren und an den
Dampfschiffhalteplätzen, sowie an je einer geeigneten Stelle außerhalb ihres Ortes
große Tafeln anzubringen, die ebenfalls rot oder blau gehalten (analog den Wegweisern)~
folgende Bestimmungen enthalten:
1. Die als Kletterpfade bezeichneten Wege sind für die Nicht-Kletterer verboten.
2. Wer ohne Kletterausweis daselbst angetroffen wird, wird in Strafe genommen.
3. Kletterausweise werden auf mündlichen Antrag hier ausgestellt, auch Sonntags
(beim Gemeindevorstand, Oberförsterei usw.) gegen Legitimation des Antragstellers.
4. Kletterkarten für einen Tag kosten 50 %, Jahreskarten für Mitglieder von
Alpen- und Gebirgsvereinen usw. .1 M, für andere 5 M. Auch eine mäßigere Besteuerung
würde schließlich ausreichend sein.
Diese Vorschläge enthalten meine ganz persönlichen Ansichten. Vielleicht helfen sie, die
Kletterangelegenheit zu klären, daß beide Teile zufrieden gestellt sind. Mögen
Berufenere als ich, wenn ihnen der Klettersport am Herzen liegt, ihrerseits Stellung
nehmen und bemüht sein, daß dieser schöne und gesunde Sport nicht etwa durch den
heiligen Bürokratius in unseren Bergen ein jähes Ende nimmt! Berg Heil!
Gustav
Kirsten.