Kletterausweise
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Folgender Artikel stammt aus "Über Berg und Thal" 3/1908, erschienen am 15. März 1908.
Der Artikel bezieht sich dabei auf die Sperrungen von 1907. Wer also bisher angenommen hat, Klettertickets und Bergsteigerausweise währen eine Erfindung der 90er der irrt! (Also Liebe Gemeindefürsten von Düren und Nideggen, so revolutionär neu ist eure Idee mit den 5,- DM Tickets an der Tankstelle wohl doch nicht!)
Der Artikel stellt eine Lesermeinung dar, ob diese Vorschläge auch in den Vorständen der größeren Vereine oder mit der Forstverwaltung diskutiert wurden ist allerdings nicht bekannt.

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Der Klettersport und das Kletterverbot.

In den Sport- und Tageszeitungen liest man seit einiger Zeit fortgesetzt Artikel für und wider die Kletterei in der Sächsischen Schweiz und über das ,,Kletterverbot". Zwischen der Forstbehörde und den Kletterern ist ob dieses Sportes scheinbar eine regelrechte Fehde entbrannt.
  Wenn man als unparteiischer Beobachter die Sache ansieht, so muß man beiden Teilen bedingt recht und beiden Teilen auch unrecht geben. Die Königl. Forstverwaltung ist unbestritten im Rechte, wenn sie dafür eintritt, daß die Forstkulturen und der Wald geschont werden, und, wenn dies nicht unaufgefordert geschieht, Maßnahmen zu treffen, die ihr gutes Recht wahren.
  Auch die weiteren Einwände, die von Gegnern der Kletterei gemacht werden, sind, zum Teil wenigstens, nicht unbegründet. Ich meine aber andererseits, bei etwas Entgegenkommen beider Teile ist der Schaden, der durch die Kletterer angerichtet wird, zu heilen. Die Kletterer verlassen die Touristenwege doch nur um deswillen, um nach den Felsen, die sie erklimmen wollen, zu gelangen. Ein großer Teil der Sonntagsbummler hingegen verläßt die Wege aus ganz anderen Motiven: um sich im Walde zu lagern, zu frühstücken, Blumen und Pflanzen zu suchen usw. Hierbei wird natürlich, wenn auch meist unbewußt, weit mehr Schaden angerichtet. Die Leute von uns, die Sinn und Liebe für die Natur haben, werden es kaum übers Herz bringen, Pflanzen herauszureißen und dann wegzuwerfen oder junge Kulturen zweck- und achtlos niederzutreten. Dazu haben sie unsern Wald viel zu lieb.
  Jeder Sport hat, insbesondere wenn er noch in den Kinderschuhen geht, - Feinde - ausgesprochene Feinde!
  Ich frage warum? - Wen stört denn das Klettern in der Sächsischen Schweiz? - Meistens liegen die Kletterobjekte in entlegenen Teilen unseres Gebirges und wenn wirklich zufällig Vorübergehende daran Anstoß finden, daß junge Leute an Felsen emporklimmen, so wollen sie bedenken, daß erstens die Sache oft gar nicht so gefährlich ist, wie sie aussieht, wenn man die Klettertechnik richtig handhabt, und daß es zweitens doch den Unbeteiligten schließlich gar nichts angeht. Man gönne den jungen Leuten ihre Freude! Das Klettern erfordert Kraft, Mut, Entschlossenheit, scharfen Blick, Ausdauer, Energie, Enthaltsamkeit, Gewandtheit und große Liebe zur Natur. Sicherlich alles gute Eigenschaften.
  Wenn manchmal junge Kulturen niedergetreten worden sind, so liegt dies außerdem zumeist daran, daß die Forstverwaltung ohne Rücksicht auf die von den Kletterern ach ihren Kletterobjekten getretenen schmalen Pfade junge Bäume angepflanzt hat. Selbst bei größter Vorsicht ist es dann nicht möglich, jedesmal schonend den Puls über diese Pflänzchen zu heben, namentlich, da diese Wege meist sehr sandig sind und dem Fuße sehr nachgeben. Der Forstmann kann doch ruhig diesen schmalen, kurzen Pfad in der Kultur aussparen!
  Allerdings haben sich u. a. dem Klettersport auch Leute angeschlossen, die weder mit der nötigen Ausrüstung versehen sind, noch die nötige Technik beherrschen, den Klettersport in sportlich sachgemäßer Weise auszuüben. Gegen diese Auswüchse kann natürlich nicht scharf genug Stellung genommen werden und wäre es Pflicht, nicht allein der Forstverwaltung, sondern auch der anständigen Kletterer, daß sie solchen Leuten das Handwerk gründlich legten.
  Ich glaube deshalb, daß eine Verständigung bei beiderseitigem Entgegenkommen recht wohl möglich ist. Wir leben einmal jetzt im Zeitalter der Verträge. Ich schlage daher folgendes vor:

I.

  1. Die Königl. Forstverwaltung ist verpflichtet, bereits bestehende Pfade, die ausschließlich von Kletterern um deswillen benutzt werden, um zu ihren Kletterobjekten zu gelangen, ordnungsgemäß instand zu setzen, zu unterhalten und sie nicht mit Kulturen zu bepflanzen.
  2. Irgend welche Haftpflicht ,übernimmt die Königl.Forstverwaltung als Eigentümer von Grund und Boden ausdrücklich nicht.
Vorschlag für die Markierung von Zustiegspfaden  3. Die Klettererwege sind als solche zu bezeichnen, damit dieselben nicht von Touristen und Spaziergängern benutzt werden. Ich schlage vor, rot-weiß oder blauweiß emaillierte Schilder anzufertigen mit der Aufschrift: Kletterpfad. Ich rate um deswillen eine rote oder blaue Farbe zu wählen, damit die Kletterwege als solche besonders kenntlich sind und von den weiß-schwarzen Tafeln des Gebirgsvereins usw. abstechen.
  4. Die Beamten der Forstverwaltung, auch die zum Forstschutz kommandierten Soldaten des Jägerbataillons im Gebiete des Zeughauses, Großen Winterberges usw. sind nicht allein berechtigt, sondern verpflichtet, Leute, die sie auf diesen Wegen treffen, nach ihrem Ausweis zu fragen. Kletterer, die nicht im Besitze eines Kletterausweises sind, werden hoch bestraft, etwa mit 10 M oder zwei Tagen Haft. Es liegt im beiderseitigen Interesse, daß in diesem Punkte scharf vorgegangen, wird.

Hingegen gilt für Kletterer:

II.

  1. Jeder Kletterer ist verpflichtet, sich einen Ausweis zu lösen, ähnlich einer Radfahrkarte. Und zwar kostet jede Karte für einen Kletterer, der keiner Vereinigung angehört, im ersten Jahre 5 M , im zweiten und folgenden Jahre nur 2 M. Vereinigungen wie: Gebirgsverein, Alpenverein, Deutsch - Oesterreichischer Touristenklub, Turnvereine usw., die eine größere Anzahl Mitglieder haben, welche sich dem Klettersport widmen, sind berechtigt, bei der Forstverwaltung Karten zu ermäßigtem Preise für ihre Mitglieder zu erwerben. Der Beitrag beträgt dann pro Jahr und Mitglied nur eine Mark. Außerdem können Tageskarten zu je 50 % ausgestellt werden.
  2. Die vorgenannten Vereine sind verpflichtet, eine kleine Anweisung über den Klettersport herauszugeben, die bei Lösung jeder ersten Karte gegen 25 % mit gekauft werden muß; bei den späteren Karten ist das nicht notwendig. Diese Anweisung soll enthalten:
a) Verhaltungsmalsregeln vor dem Klettern, während des Kletterns und nach dem Klettern und Anstandsregeln.
b) Anleitung über die Technik des Kletterns, und zwar: Für Kamin- und Wandkletterei, über Hilfeleistung, über Art des Abseilens, das Knüpfen von Knoten usw;
c) Verzeichnis der Orte mit Aerzten und Apotheken in der Sächsischen Schweiz.
  3. Die größeren Vereinigungen, die einen Vorzugspreis für Kletterausweise ihrer Mitglieder erhalten, sind verpflichtet, je nach Verhältnis, einen jährlichen Beitrag für Unterhaltung und Wegebau der Kletterpfade, der Wegweiser usw. zu zahlen.
  4.Die Kletterer sind verpflichtet, in ihren Reihen auf Disziplin zu sehen, alle Auswüchse ernstlich zu rügen, Uebertretungen gegen diese Bestimmungen rücksichtslos zur Anzeige zu bringen und namentlich darauf zu sehen, daß Kletterausweise nicht übertragen und genau so respektiert werden wie beispielsweise eine Jagdkarte. Diese Ausweise müssen daher auf den Namen ausgestellt sein und die eigenhändige Unterschrift des Inhabers tragen.
  Das Geld, welches durch Lösung der Kletterkarten einkommt, ebenso wie die jährlichen Beiträge der Alpen-und Gebirgsvereine usw. dürften übrigens reichlich genügen, etwaige kleine Flurschäden zu vergüten und die Kletterpfade anzulegen und zu unterhalten.
  Da die Sächsische Schweiz aber auch viel von Auswärtigen zur Ausübung des Klettersports benutzt wird, wie z. B. von Leipzigern und Berlinern, so soll für diese dasselbe gelten wie für Hiesige. Es sollen irgend welche Ausnahmen nicht gemacht werden. Auch Damen müssen eine Kletterkarte lösen.
  Es ist zu bedenken, daß durch ein rigoroses Kletterverbot das Klettern als solches wohl nicht abgeschafft werden würde, es würde nur erreicht werden, daß sich der Klettersport auf böhmisches Gebiet hinüberziehen würde.
  Ich gehe aber noch weiter! Es liegt auch den Ortsbehörden der Sächsischen Schweiz ob, den Klettersport zu unterstützen. Hier schlage ich folgendes vor:

III.

Die Ortsbehörden der als Ausgangspunkte für Kletterpartien hauptsächlich in Frage kommenden Orte und Bahnstationen der Sächsischen Schweiz, als: Pirna, Wehlen, Rathen, Königstein, Schandan, Hirschmühle usw., sind verpflichtet, auf den Bahnsteigen und den Ueberfahrtsstellen der Elbfähren und an den Dampfschiffhalteplätzen, sowie an je einer geeigneten Stelle außerhalb ihres Ortes große Tafeln anzubringen, die ebenfalls rot oder blau gehalten (analog den Wegweisern)~ folgende Bestimmungen enthalten:
  1. Die als Kletterpfade bezeichneten Wege sind für die Nicht-Kletterer verboten.
  2. Wer ohne Kletterausweis daselbst angetroffen wird, wird in Strafe genommen.
  3. Kletterausweise werden auf mündlichen Antrag hier ausgestellt, auch Sonntags (beim Gemeindevorstand, Oberförsterei usw.) gegen Legitimation des Antragstellers.
  4. Kletterkarten für einen Tag kosten 50 %, Jahreskarten für Mitglieder von Alpen- und Gebirgsvereinen usw. .1 M, für andere 5 M. Auch eine mäßigere Besteuerung würde schließlich ausreichend sein.
Diese Vorschläge enthalten meine ganz persönlichen Ansichten. Vielleicht helfen sie, die Kletterangelegenheit zu klären, daß beide Teile zufrieden gestellt sind. Mögen Berufenere als ich, wenn ihnen der Klettersport am Herzen liegt, ihrerseits Stellung nehmen und bemüht sein, daß dieser schöne und gesunde Sport nicht etwa durch den heiligen Bürokratius in unseren Bergen ein jähes Ende nimmt! Berg Heil! 
Gustav Kirsten.

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