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Der Text ist ein Auszug über Rudolfs erste
Kletterei am Vorderen Torstein, dazumal noch Friedrich August Felsen aus
[18] und wurde stark gekürzt den ganzen und
sehr lesenswerten Text kann man unter anderem in [3]
nachlesen
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Das muß ein
Kletterfels sein, sagten wir uns und gingen sofort zum Angriff über.
Viele Vorbereitungen hatten wir dazu nicht zu treffen, da wir bis auf die
übliche, heimlich entführte Wäscheleine über keinerlei Ausrüstung
verfügten. Im Straßenanzug und in Straßenschuhen stiegen wir an.In richtigem Instinkt gewannen wir von Westen her durch einen
griffigen Kamin und über einen steilen Sandhang die tiefe Scharte, die
nordwärts gegen den Meurerturm zu liegt.
...
Aus der erwähnten Scharte suchte ich, wiederum einem richtigen Gefühle
folgend, den dort einsetzenden großen Kamin als Weg zur Höhe zu benützen.
Da ich aber die Füße falsch setzte, nämlich mehr mit der Kante als mit
der vollen Sohle, rutschte der Lederschuh immer wieder ab und ich selbst
die wenigen Meter hinunter. Schließlich gab ich dort die Versuche auf und
wandte mich der rechts vom Kamin gelegenen Steilwand zu. Mit Hilfe alter
Stufen, die ich zum Teil erst aus Humus und Moos ausgraben mußte, kam ich
etwa acht Meter hoch und erreichte von da hangelnd einen Standplatz hinter
einer aus dem Fels gewachsenen kleinen Birke. Die darüber jäh aufragende
fast griff- und trittlose Wand vermochte ich aber nicht zu bezwingen und
kehrte nach vielen vergeblichen Versuchen auf den sicheren Grund und Boden
zurück.
…
Inzwischen
hatte ich erfahren, daß man zum Felsklettern eines richtigen Seiles und
besonderer Kletterschuhe bedürfe und daß diese Herrlichkeiten in München
beim Sporthaus Schuster zu haben seien. Ende September traf dann auch
alles richtig von dort ein. Allein die Kletterschuhe kosteten 7,-- Mark, für
mich fast drei Wochen Taschengeld! Zünftige Kleidung fehlte mir noch völlig.
Am 3. Oktober 1903 war es endlich soweit. Wieder mit Schwede zusammen,
fuhr ich nach Schandau. Er wußte dort für uns eine gute Herberge bei
einer Pastorswitwe, die dann auch wie eine Mutter für uns gesorgt hat. Es
goß in Strömen, als wir die Elbstraße durch Postelwitz gingen oder
vielmehr von Baum zu Baum sprangen. Da wir keine Mäntel mithatten, waren
wir nur zu bald bis auf die Haut naß. Ich tröstete meinen Begleiter mit
der Behauptung, daß in kürzester Zeit eitel Sonnenschein herrschen
werde.
…
Am
Elbleitenweg angekommen, stiegen wir wieder wie das letzte Mal zur Scharte
am Friedrich-August-Fels oder dem Vorderen Torstein, wie man ja heute
allgemein sagt, hinauf, zogen die Rucksäcke nach und machten uns auf
einen längeren Ansturm gefaßt. Während wir nun zum ersten Mal das Seil
aufrollten und die Kletterschuhe anlegten, hatten wir genugsam Zeit, in
die Landschaft gegen Morgen und Abend hinauszublicken und dem Spiel des
Nebels zuzuschauen. Lichtete sich einmal der Dunst, so glänzte der
Elbstrom herauf, so dehnte und reckte der Winterberg seinen langen Rücken
und lugte bald der, bald jener Tafelberg durch den zerrissenen Vorhang.
Ich stieg wieder die Wand rechts vom großen Kamin hoch, wobei ich noch
einige weitere Stufen mit Hilfe einer kleinen Steinmetzhacke freilegte.
Diese Hacke sollte außerdem notfalls dazu dienen, Griff und Tritt dort
hervorzuzaubern, wo die oberflächliche Natur versäumt hatte, solche
bereitzustellen. Wir dachten uns nichts Schlimmes dabei, sondern handelten
hierin ganz naiv. Wieder kam ich bis zur Birke und ließ dann Schwede am
Seil nachkommen, da er mich dort steigbaumartig unterstützen sollte. Er
kam aber nur bis zur halben Höhe, rutschte ab und verlor für diesmal
alle Lust an unserm Treiben. Nach immer wiederholten Versuchen, allein
über die böse Wandstelle zu kommen, gab ich hier den Angriff auf, seilte
mich an dem schwachen Bäumchen ab und versuchte nun mit meinem Kameraden,
dem Gipfel auf andere Weise beizukommen. Wir stiegen nach Osten zu ab und
querten unter den Wänden südwärts hin, kamen schließlich über alt
gehackte Stufen auf einen Nebengipfel im Südosten, sahen aber keine Möglichkeit,
von dort den Hauptgipfel zu gewinnen.
…
Am andern Morgen kostete es uns reichlich viel Überwindung, in
die noch triefend nassen und kalten Strümpfe zu schlüpfen. Ein zweites
Paar mitzunehmen oder wenigstens die nassen über Nacht zum Trocknen zu
geben, so weit hatte unsere Überlegung nicht gereicht. Wiederum ging es
zum Vorderen Torstein, den ich durch Hartnäckigkeit doch noch zu zwingen
dachte. Während ich dort mit der Hacke in der Hand an der kleinen Birke
vor der Steilrinne stand, erklangen ganz nahe Stimmen, Zurufe und fröhliches
Lachen. Gleich darauf kamen von Osten her fünf oder sechs junge Männer
in Sporttracht in die Scharte herauf. »Wo wollen Sie denn hin?« rief man
mir zu. »Kommen Sie doch mit uns durch den Kamin. Dort wo Sie sind,
gelangen Sie nie hinauf. « - Wie der Blitz war ich wieder unten und ließ
mich von dem Führer der Gruppe mit ans Seil nehmen. Ich sah den andern
ab, wie sie den Kamin durchstiegen, und war erstaunt, wie leicht sich
derartige Spalten in Kletterschuhen bezwingen lassen. Ohne alle
Schwierigkeit kam ich mit zum Gipfel.
Mit dem nächsten Morgen brach unser letzter Elbsandstein-Tag an, Montag,
der 5. Oktober. Ich konnte gar nicht schnell genug an den Vorderen
Torstein kommen, denn ich brannte darauf, ihn nun selbständig auf dem
Tags zuvor kennengelernten Wege niederzuwingen. Nur darin, glaubte ich,
den vollen Ausgleich aller bisherigen Mißerfolge finden zu können. So
geschah es denn auch. Schwede vermochte ich durch alles Zureden nicht zum
Mitkommen zu bewegen. Den Abstieg nahm ich über die Nordwand, den Weg
meiner dreifach vergeblichen Versuche. Gestern waren wir darüber
abgeseilt. Ich wollte mir beweisen, daß ich aus der oberen Rinne den
Sprung zur Birke wagen würde. Tatsächlich legte ich die Mutprobe ab,
ohne viel dabei zu finden. Daß ich Baum und Erdreich leicht hätte losreißen
können, erkannte ich in meiner unbeschwerten Jugend nicht. |
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