50 Jahre Bärbel AW
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  aus [16] Nr.3 1995
 

Fünfzig Jahre Klettergipfel Barbarine
Die Jubiläumsbesteigung

Am 19. 9. 1905 erstiegen Dr. Rudolf Fehrmann und Oliver Perry-Smith nach zweitägigen Versu­chen die Barbarine zum ersten Mal. Am 50. Jahrestag zur Barbarine zu wallfahrten, war für uns selbstverständlich. Mein Kletterfreund Rolf tauschte an diesem Montag im Jahre 1955 die Werk­bank mit dem Fels. Grund: Krankheit.
Wir ahnten, daß viele Interessenten kommen würden und verabredeten uns sehr zeitig. Kurz nach vier Uhr fuchtelte jemand an unserem Fenster. Es war Rolf, der uns weckte. Mit Eberhard keuchten wir drei bald den Waldhang zum Pfaffenstein empor. Flott war der Einstieg zur Barbarine erreicht. Allmählich wich die Finsternis einem blaugrauen Fahl, in dem eine Fledermaus über uns knurrte. Nach kurzem Imbiß beim Weichen des Dunkels knobeln wir um die Reihenfolge bei der geteilten Führung. Rolf fällt das schwere Stück zwischen den beiden Ringen zu, mir Anfang und Ende. Während wir steigen und nachholen herrscht Totenstille, nur ab und zu unterbrochen von Schreien der Turmfalken, Mäusebussarde und Eichelhäher. Nach Rolf kommt Eberhard zur Kanzel nach. Rolf steigt an und hängt binnen kurzem am zweiten Ring ein und holt Eberhard nach. Nun erscheint Paul Jacob am Fuß. Er feiert heute seinen 61. Geburtstag und gab am Vortag seine Zusage zu kommen. Er klimmt zur Kanzel nach, dann holt Rolf mich nach, und ich steige gleich vorbei zum Gipfel.
Seit einiger Zeit bewegt es sich unten geschäftig. Es folgt die Seilschaft von Hans Heilmaier auf dem Fuße. Bei uns kommen Eberhard, Rolf und Paul bald zum Gipfel nach. Trotz eines Sturzes am Vortag führt einer der beiden jüngeren Kameraden Hans Heilmaiers. Im Riß spürt er die moralischen Nachwehen und steigt bei uns nach. Ihm folgt Hans, danach deren dritter. Nun wird der Platz knapp auf dem Gipfel. Zwei Mann seilen ab, damit Richard Fritsch und Kurt Schöne auf dem Gipfel Platz finden. Mit Günther von unserem Klub sitzen wir zu acht eine Weile, jeder hält sich am Zipfel einer Schlinge fest, die zum Abseilring führt. Wir lauschen, als Hans, Paul, Kurt und Richard in der Erinnerung kramen.
Zum Beispiel hat man lange um den Besitz der Barbarine gerechtet. Zur Zeit gehört der Alte Weg Keilers und die Talseite Arno Größler. Paul Jacob hatte die erste Besteigung als 11 jähriger gesehen. Damals hatte sich der Rucksack mit dem Schlagzeug im Riß verklemmt. Daher stiegen die Erstbegeher die Gipfelköpfe zurück. Hans Heilmaier kannte die Ereignisse des Jahres 1905 auf Tag und Stunde genau. Er mußte nun bald weg und seilte ab. Die anderen folgten. Günther, Rolf und ich blieben noch eine Weile. Schaulustige auf der Aussicht wollten bald etwas sehen. Sie begannen Schoppen und Bockwürste zu bieten. Eine heraufgezogene junge Birke fiel erst noch einmal hinunter, ehe sie sich im ehemaligen Gipfelbuchloch fest verkeilen ließ. Noch immer stauten sich die Zuschauermassen auf der Aussicht; denn durch den Aushang von Roland Hegenbart waren alle Schandauer Ferienheime erschienen und von Krippen gleich drei Sonderbusse.
Durch die Taubenschlucht erreichten wir Keilers, die zwar das Gästebuch von 1905 nicht fanden, dafür aber die Mittel für eine Runde Helles. Auf Wunsch der älteren Bergkameraden erkletterten wir noch den Jäckelfelsen über den Alten Weg. Das goldene Licht eines sonnigen Nachmittags flutete über Berge und Wälder. Auf dem Weg zur Barbarine-Aussicht erfuhren wir von den Sommergästen, daß heute morgen acht Mann auf dem Gipfel gesessen und sogar eine Birke hinaufgeschafft hätten. Wir sollten es uns nur einmal ansehen. Nun sahen wir, wie von einer Dreierseilschaft der erste gerade am Gipfel nachholte. Auch sie hatten ein grünes Sträußchen mitgebracht. Am Gasthaus gingen wir auseinander, die einen nach Hause und die anderen nach stundenlangem Zuschauen endlich wandern, zweimal unterstrichen.
Unsere Seilgefährten bei diesem Jubiläum hatten noch die Zeit ohne Schlingen und Karabiner erlebt. Für uns knüpften sie das Band von der Erschließung zur Tradition im sächsischen Bergsteigen.

Dietland Müller-Schwarze
   

 

 

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